Artikel in Thüringer Allgemeine
29.09.2008

Artikel in Thüringische Landeszeitung 29.09.2008

TRADITION TRIFFT MODERNE

Begeisterter Applaus für die Erfordia-Sinfonie: Bildhafte Sequenzen von emotionaler Tiefe

Fantastisch! Anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten zu Napoleons Fürstenkongress in Erfurt 1808-2008 geben die Freunde der Citadelle Petersberg e.V. die Komposition eines großen Orchesterwerkes in Auftrag und widmen dieses der Stadt Erfurt mit dem Wunsche „Möge die Sinfonie dem Frieden dienen“.

Von Helmuth RUDLOFF

ERFURT.

Die Uraufführung zu Beginn der Feierlichkeiten am vergangenen Freitag in der Erfurter Oper war ein großartiger Erfolg. Dieses etwa 35 Minuten dauernde Werk des 28-jährigen Komponisten Raphael D. Thöne ist in dieser Gestaltung ein Unikat, das verschiedenste Kunstelemente einbezieht und somit eine Form schafft, die Elemente der Sinfonie, der Sinfonischen Dichtung, des Melodrams und der bildhaften Darstellung verbindet. Neuartig in der Konzeption sicher, jedoch höchst emotional in der Umsetzung.

Friedrich Thoma schuf ein Libretto, das in mehr als zwanzig Etappen die Entwicklung des Petersberges und der Stadt von Bonifatius (742) bis 1990 nachzeichnet, glänzend in der Sprachbehandlung und von ihm selbst engagiert vorgetragen. Diese Vorgabe inspirierte Raphael Thöne, ein Werk für Sinfonisches Blasorchester und Sprecher zu schaffen. Sein Opus weist in der Tat eine sinfonische Form auf, wenngleich auch nicht im klassich-tradierten Sinne. Rhythmische, harmonische, melodische und satztechnische Klammern verbinden zu einem sinfonischen Opus, das sich in seiner Gesamtstruktur durchaus vieler unterschiedlicher Formen zu bedienen weiß. Das wird nicht zuletzt in der dramaturgisch zentralen Szene, dem Fürstenkongress, deutlich, wo eine Fuge als das formale und gestalterische Bindeglied fungiert. Motivische Elemente, die sich leicht und ohne trivial zu sein, gut einprägen, können ganz im Sinne der Leitmotivtechnik Richard Wagners in den unterschiedlichsten rhythmischen und harmonischen Formungen, selbst in abgewandelten melodischen Variationen, stets wieder erkannt werden. Stilisierte Tänze wie Reigen und Walzer werden ebenso einbezogen wie eine Sarabande als Sinnbild für die Zerstörungen im 2. Weltkrieg.

Auffallend weiterhin, wie organisch sich traditionelle Harmoniefolgen mit denen des 20. Jahrhunderts beeinflussen, vermischen und zum Teil parallel verlaufen, ohne in irgendeiner Weise aufgesetzt zu wirken. Die literarischen Vorgaben inspirierten den Komponisten, mit Mitteln der Tonmalerei zu arbeiten und die unterschiedlichsten Stimmungsbilder fein differenziert in Musik zu setzen. Die Verbindung von Wort, Ton und Bild (sehr eindrucksvoll zusammengestellt von Euratibor e.V.) geben Raum zu bildhaften Sequenzen von bewegender emotionaler Tiefe. Dazu trug vor allem die exzellente Instrumentation bei, die mit unterschiedlichsten Klangfarben Stimmungsbilder erzeugte, deren suggestive Wirkung in den Bann zog.

Die Peterberg-Symphonie bot dem Wehrbereichsmusikkorps III der Bundeswehr Erfurt, eine ebenso große wie auch dankbare Aufgabe. Unter der brillanten Leitung von Oberstleutnant Roland Kahle musizierten die Militärmusiker engagiert und mit ausgezeichneter Klangkultur, dynamisch außerordentlich fein differenziert, jedes Detail der Komposition überlegt in die Gesamtinterpretation einfügend.

Begeisterter, minutenlanger Beifall dankte dem Komponisten und allen Mitwirkenden.


PACKENDE GESCHICHTSSTUNDE

„Erfordia – die Petersberg-Symphonie“ in der Erfurter Oper uraufgeführt

Von Evi BAUMEISTER

ERFURT.

Ein gutes Geschenk ist persönlich, zeitlos und nach Maßgabe außergewöhnlich. Die Freunde der Zitadelle Petersberg beschenkten anlässlich des 200. Jubiläums des Erfurter Fürstenkongresses ihre Stadt mit einer Gabe, die überdies künstlerischem Anspruch gerecht und aller Voraussicht nach keine Staubschicht ansetzen wird. Sie gaben „Erfordia – die Petersberg-Symphonie“ in Auftrag, deren Uraufführung in der Erfurter Oper zu erleben war. Wie eine klassisch viersätzig angelegte Symphonie muss man sich „Erfordia“ nicht vorstellen.

Auch der Klangkörper, das 50 Mann starke Wehrbereichsmusikkorps III unter der Leitung von Oberstleutnant Roland Kahle, entspricht wegen der fehlenden Streicher keinem klassisch symphonischen Apparat. Und dennoch wehte in dem voll besetzten Haus ein vielfarbiger orchestraler Bläserklang, satt an Fülle, Wärme und Frieden, ein handwerklich perfekt organisiertes Arrangement, das Komponist Raphael D. Thöne ganz nach den Vorstellungen der Auftraggeber in Töne gesetzt hat.

Das im besten Sinne dem Genre der Filmmusik zuzurechnende Opus fächerte musikalisch die Stadtgeschichte auf von der Gründung 742 bis zur Wende 1989. Im Zeitraffer, den akustisch ein Uhrwerk-Ostinato herstellte, wurden historische Aufnahmen, Kupferstiche und Farbbilder der Stadt und der wechselvollen Nutzung der Baulichkeiten auf dem Petersberg eingeblendet. Dieses entsprechend der Friedens- bzw. Kriegslagen konsonant oder dissonant gehaltene Gesamtbild ergänzte Librettist und Sprecher Friedrich Thoma etwas weihevoll zu einer eindringlichen Geschichtsstunde. Eine Wiederholung unter freiem Himmel mit Gloriosa-Original-Geläut wäre vorstellbar.

Das heimatverbundene Publikum jedenfalls goutierte das Benefiz-Konzert zu Gunsten des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, das nach einem dichten Fugatogewirr sich zu einem wuchtigen Walzer erhob und schließlich zu einer versöhnlichen, breit entwickelten Schlusssequenz mit Panoramablick fand, mit lang anhaltendem Applaus.